Kundenservice in der Energiemarktkrise - Sebastian Rudischer

Sebastian Rudischer ist Abteilungsleiter Vertrieb und Service bei den Stadtwerken Tübingen. Im Interview haben wir mit ihm darüber gesprochen, wie sich die aktuelle Krise im Energiemarkt auf den Kundenservice und die Mitarbeitenden auswirkt. Zudem haben wir das Thema Digitalisierung und die Entwicklung im Jahr 2023 angerissen.

 

Herr Rudischer, wie erleben Sie aktuell die Energiemarktkrise? Gibt es die wirklich oder ist alles halb so schlimm?

Sebastian Rudischer: Die Krise ist allgegenwärtig in der Energiewirtschaft, jedoch teilweise bei den Kunden noch nicht angekommen. Deutliche Kostensteigerungen zum Jahreswechsel werden uns als Unternehmen und die Kunden, die deutlich tiefer in die Taschen greifen müssen, beschäftigen.

Was sind die Themen, die die Kunden aktuell bewegen? Womit wenden sich die Kunden/Kundinnen an Ihren Kundenservice?

Sebastian Rudischer: Durch die bereits erfolgte bzw. bevorstehende Preissteigerung, sind Themen rund um Energie- und Kosteneinsparung aktuell stark nachgefragt. Ebenso passen die Kunden, wenn möglich, die Abschläge an. Wir verzeichnen auch eine verstärkte Nachfrage von Kunden, die bisher von anderen Lieferanten versorgt werden (Fokus: Eigenes Netz).

Haben sich die Anforderungen bzw. Aufgaben an einen Mitarbeitenden im Kundenservice durch die veränderten Rahmenbedingungen 2022 verändert?

Sebastian Rudischer: Die Aufgaben haben sich dahingehend verändert, dass die Mitarbeitenden mehr und längere Gespräche mit den Kunden führen. Dabei wird es in Teilen sehr emotional, weil sich viele Kunden Sorgen um die eigene Existenz machen. Demzufolge sind von Mitarbeitenden etwas andere Kompetenzen als bisher und entsprechendes Fingerspitzengefühl gefordert. Daneben geben wir vermehrt einen Verweis auf soziale Einrichtungen, mit denen unsere Kunden mögliche finanzielle Engpässe und Auswege daraus besprechen können.

Glauben Sie, dass gerade in dieser schwierigen Phase der Kundenservice vor Ort wieder mehr geschätzt wird, als es vielleicht früher der Fall war?

Sebastian Rudischer: Die Möglichkeit, mit einem Berater bzw. einer Beraterin persönlich zu sprechen, ist insbesondere bei älteren Kunden sehr gefragt. Aber auch Kunden, die in den letzten Monaten eher schlechte Erfahrungen mit einem „Discounter“ gemacht haben, freuen sich, wieder mit Menschen vor Ort sprechen zu können.

Lassen Sie uns mal in diesem Kontext auf das Thema Digitalisierung zu sprechen kommen. Wie digital ist der Kundenservice bei den Stadtwerken Tübingen heute? Gibt es Pläne für weitere Digitalisierungsmaßnahmen?

Sebastian Rudischer: Gerade die Corona-Pandemie hat eine enorme Beschleunigung beim Thema „Digitalisierung im Kundenservice“ und bei den Stadtwerken insgesamt nach sich gezogen. Alle Prozesse mussten von heute auf morgen im Homeoffice funktionieren. Ich denke, wir werden in Zukunft einen hybriden Service anbieten, bei dem der Kunde den Kommunikationskanal frei wählen kann. Wichtig ist, dass wir die Wünsche der Kunden im Blick behalten und uns dahingehend stetig anpassen.

U.a. haben Sie die Erfassung der Kunden- und Interessentenkontakte mit dem ORGA-MAN „kontakttracker“ kürzlich digitalisiert. Warum?

Sebastian Rudischer: In der Vergangenheit waren die Kategorisierung und die Klassifizierung der Kundenkontakte nur unbefriedigend und auch nicht klar definiert. Mit dem "kontakttracker" haben wir jetzt ein bedienerfreundliches Tool, das die Kundenkontakte anschaulich und individuell anpassbar darstellt. Aufgrund der guten Usability ist die Einsatzhürde, die wir ansonsten öfter mal bei der Einführung neuer IT-Lösungen erleben, bei den Mitarbeitenden eher gering.

Lassen Sie uns zum Schluss mal auf das Jahr 2023 gucken. Was kommt Ihrer Meinung nach auf den Kundenservice zu? Haben Sie vielleicht einen Tipp, den Sie den Verbraucher:innen mit auf den Weg geben können?

Sebastian Rudischer: Der Beratungsbedarf hinsichtlich Zahlungsmodalitäten und Einsparungspotenziale wird mit Sicherheit zunehmen. Gleichzeitig werden wir weiter eine Vielzahl an neuen Kunden im Rahmen der Grund- und Ersatzversorgung begrüßen dürfen, die es gilt, auch langfristig zu binden. Als konkreten Tipp für die Verbraucher:innen kann ich mitgeben: Grundsätzlich sollten sie beim Thema Energie sorgsam und vorausschauend agieren. Die Zeiten, in denen Energie sehr günstig war, sind definitiv Geschichte.

Herr Rudischer, herzlichen Dank für Ihre Zeit.

Die Fragen stellte: Stefan Biesalski

Sebastian Rudischer
Abteilungsleiter Vertrieb und Service

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