Sich im Kreise drehen
von Christina Ribbrock (Kommentare: 0)
Sich im Kreise drehen, ist sicherlich auf einem Karussell angenehmer als in der aktuellen politischen Diskussion um Homeoffice, Arbeit, & pot. 3. Lockdown.
Corona und ich – wir drehen uns im Kreis, so mein Gefühl. Ich glaube, so geht es gerade fast jedem – zumindest den Personen mit denen ich spreche! Wie gern würde ich meine Lieblingskarte aus Diskussionsrunden ziehen: ELMO. Kennen Sie nicht? Sollten Sie aber. ELMO steht für „enough, let’s move on. Wenn Sie das Gefühl haben, Sie kommen in Diskussionen nicht weiter, Sie drehen sich im Kreis, ziehen Sie die Karte. Voraussetzung ist natürlich, Sie und ihre Kollegen haben so eine Karte – gerne auch mit ELMO aus der Sesamstraße drauf. Ziehen daraufhin min. 50% der anderen Teilnehmer auch diese Karte, schließen Sie den Diskussionspunkt und vertagen ihn, eine Lösung ist nicht in Sicht und die Zeit kann wertvoller eingesetzt werden. Zudem hilft es in Teilen ein wenig strukturierter zu werden, öfter mal zu schmunzeln und Ressourcen fokussierter einzusetzen. Das aber nur am Rande.
Unsere wichtigste Ressource ist Zeit. Dank Corona sollten wir ja aktuell viel Zeit für uns haben. Vor allem Arbeitnehmern ist ja zusätzliche Zeit gegeben, vertraut man den aktuellen Diskussionen. Individuelle Zeit durch das Arbeiten zu Hause! Denn das muss man Corona ja lassen, die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens haben sich vergrößert. Auf den ersten Blick werden so gerade besonders die Bedürfnisse der jüngeren Generationen (YZ) auf dem Arbeitsmarkt erfüllt. Auf den zweiten Blick – oder in Gesprächen – stelle ich das Gegenteil fest. Ständig erreichbar, ständig verfügbar. Dieses Gefühl haben viele Mitarbeiter neu kennengelernt. Auch wenn es von ihnen (vielleicht) nicht erwartet wird, so haben viele das Bedürfnis es sicherzustellen immer erreichbar zu sein. Nicht das der Chef noch denkt, im Homeoffice wird nicht gearbeitet.
Im Beitrag „Neues Jahr – neue Ziele“ habe ich aufgeführt, dass die Chancen nicht ungenutzt bleiben sollten. Ehrlicherweise hatte auch ich beim Schreiben des Beitrags noch den Spirit des neuen Jahres – alles ist möglich. Jetzt bin ich eigentlich nur noch „Coronamüde“.
Krise = Chance? Ehrlich?
Für Sie als Arbeitsgeber definitiv – und für mich als Beraterin natürlich auch!
Jetzt ist die Chance zum Umdenken, Ausprobieren und Kennenlernen alternativer Arbeitsmodelle. Hier bietet sich vor allem die Möglichkeit herauszufinden, wie Mitarbeiter die letzten Monate erlebt haben und was ihnen besonders gefallen bzw. missfallen hat. Dabei sollte es weniger um technische Aspekte gehen, sondern eher um die Strukturen, die Zusammenarbeit und Führung – kurz Unternehmenskultur und Werte in den Mittelpunkt.
Mit meinen 35 Jahres gehöre ich einer Generation an, die keine klassischen Strukturen benötigt oder eine 9-5 Arbeitszeitgestaltung bevorzugt. Ganz anders als es vielleicht „ältere“ Generationen kennen und wünschen. Und mit einem Blick auf meine Projekterfahrungen, so ganz anders, als es im typischen EVU gelebt oder angeboten wird.
Individualisierung ist das Zauberwort meiner Generation. Neben individuellen Reisen stehen bei vielen selbstbestimmte Arbeitszeiten und -orte im Fokus. Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben verschwimmen immer mehr. Für mich ist das kein Problem, ich hänge entspannt zwischendurch die Wäsche auf oder erledige zwischen zwei Terminen schnell den Einkauf, sitze aber auch regelmäßig am Abend oder am Wochenende mal am Rechner. Selbstbestimmt – meistens. Meine Arbeitsmaterialien sind Laptop und Handy, so bin ich quasi ständig erreichbar. Damit verbinde ich eher Freiheit als Druck, denn ich strukturiere meine Erreichbarkeit selbst. Aber wie ich es wahrnehme, ist das nicht selbstverständlich.
Praktisch über Nacht sind Sie und ihre Kollegen in diese Welt eingetaucht. Und mehr individuelle Zeit, was man ja annehmen könnte, haben die Wenigsten. Vielmehr sehen sie sich der neuen Verantwortung gegenübergestellt, ständig erreichbar zu sein. Von Freiheit keine Spur.
Nach vielen Gesprächen in den letzten Wochen und Monaten hat sich folgende Frage in meinen Kopf geschlichen: Warum entsteht dieser Druck bei den Mitarbeitern? Warum finden Sie es nicht befreiend selbstbestimmter die Arbeitszeiten zu definieren? (Natürlich vorausgesetzt es ist möglich und definierte Kundenservicezeiten sind nicht einzuhalten!) Zu folgenden Entschluss bin ich gekommen; dieser Druck entsteht, weil Unternehmenskultur und interne Werte sowie Führungskultur noch gar nicht angepasst sind. Es ist immer noch ein Schwebezustand und keine Normalität in den EVUs. Alles ist auf Präsenzkultur gepolt. In der jetzigen (schon gefühlt ewig andauernden) Krisensituation wurde der übliche Prozess der Einführung von neuen Arbeitsmodellen – zunächst die ersten Schritte eines Kulturwandels und dadurch ein Wandel in den Arbeitsmodellen – auf den Kopf gestellt. Wichtige Schritte wurden vernachlässigt, gar ausgelassen.
Wie dem entgegnen? Ich glaube wir benötigen eine neue Kompetenz: die Kompetenz des mobilen oder unabhängigen Arbeitens. Diese nicht nur als Kompetenz bei den Mitarbeitern, sondern besonders auch bei den Versorgern in Form von Unternehmenskultur und -werten. Um die fehlenden Schritte nachzuholen und sich auf die nächste Generation vorzubereiten, sollten Sie sich schrittweise von alten Methoden und Ansichten der Arbeitswelt verabschieden. Dabei ist das Homeoffice sicherlich nicht der heilige Gral und auch nur eine Ausgestaltungsmöglichkeit neuerer Arbeitskonzepte. Aber es ist ein Anfang und zeigt, wie anders die Welt auf einmal sein kann. Wenn Sie diesen Weg bereits geschafft haben, dann wagen Sie den nächsten Schritt und befassen sich mit einer Prozessorganisation.
In diesem Sinne, nutzen Sie die Chance umzudenken, anders zu sein und neue Wege zu gehen. Vielleicht ist gerade jetzt die Zeit, aus dem Karussell auszusteigen und was Neues zu probieren. Gern laden wir Sie zum Austausch ein und philosophieren über die verschiedenen Anforderungen an Führung, Kommunikation und neue Arbeitskonzepte.
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